Früh am Morgen beginnt bei uns der Arbeitstag – drüben in den USA schläft man noch. Und das ist wahrscheinlich der ruhigste und produktivste Teil des Tages. Kaum wachen sie auf, verwandelt sich jede klare Aufgabe in ein nebliges Chaos aus Missverständnissen, Teams-Echos und PowerPoint-Folien voller „Vision Statements“.
Unser einfaches Anliegen: eine kleine Information, eine Zahl, ein Screenshot. Doch irgendwo zwischen „Sure, we’ll get back to you soon“ und „Let’s sync next week“ geht das Thema in einer Wolke aus Meeting-Einladungen verloren. Wenn wir dann nach fünf Erinnerungen endlich eine Antwort bekommen, ist sie in etwa so hilfreich wie ein Regenschirm im Tornado.
Kein Wunder also, dass jedes Update doppelt so lange dauert, weil wir ständig versuchen müssen herauszufinden, was sie eigentlich gemeint haben. „Did you read our instructions?“ – „Oh, we thought we’d do it our way.“ Natürlich dachten sie das.
Realität und Selbstwahrnehmung klaffen dabei weit auseinander. Während wir versuchen, ein Problem pragmatisch zu lösen, halten sie noch eine „alignment session“ darüber ab, ob das Wort Problem vielleicht zu negativ klingt.
Irgendwann gewöhnt man sich an dieses Spiel. Man nickt, man lächelt, man sagt „great idea“ und tut dann still das, was wirklich funktioniert.
Spätestens wenn wieder eine Datei auftaucht, die aussieht, als wäre sie von einem Praktikanten mit Excel 97 erstellt worden, weiß man: Es ist wieder so weit – wir sind mitten in der transatlantischen Comedy-Show.
Trotz allem lernt man viel. Zum Beispiel, dass Geduld keine Tugend, sondern ein Überlebensinstinkt ist. Und dass „we’re on it“ in amerikanischem Englisch frei übersetzt heißt: „Wir haben’s völlig vergessen.“
In Momenten wie diesen frage ich mich, ob sie merken, dass wir ihnen längst nicht mehr glauben. Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht ist das auch besser so.
Nach Feierabend bleibt dann nur eines: tief durchatmen, Laptop zuklappen und hoffen, dass morgen jemand in den USA zufällig auf „Reply All“ klickt – und uns endlich die richtige Datei schickt.
Chaos? Ja. Lehrreich? Auch. Und irgendwie... fast schon liebenswert. Fast.